„Sehr geehrter Herr Gemeindevertretervorsteher,
Sehr geehrter Bürgermeister,
Sehr geehrte Kolleg*innen,
Liebe Mitbürger*innen,
Zu Beginn gilt unser Dank zunächst der Verwaltung für die strukturierte Vorbereitung, schnelle und unkomplizierte Bearbeitung und Beantwortung von Anfragen aus unserer, aber auch der anderen Fraktionen. Auch den Gemeindevertretungsmitgliedern gilt unser Dank für die kollegialen Beratungen in den Ausschüssen in dieser Sitzungsrunde.
Die Gemeinde Nauheim stellt heute den Haushaltsplan für das Jahr 2023 auf. Es ist in vielfältiger Hinsicht ein besonderer Haushaltsplan. Es ist der letzte Haushaltsplan, den unser Bürgermeister Fischer in die Gemeindevertretung eingebracht hat. Gleichzeitig ist er auch der erste Haushaltsplan, der für die neue Bürgermeisterin (oder den neuen Bürgermeister) gilt. Es ist aber auch ein Haushaltsplan, der ein negatives Ergebnis aufzeigt und nur über die in den vergangenen Jahren erwirtschafteten Rücklagen ausgeglichen werden kann. 1,2 Millionen Euro Defizit im Ergebnishaushalt, 700 t€ Euro Finanzmittelfehlbedarf im Finanzhaushalt und einer Finanzmittelneuaufnahme – Kredite – in Höhe von 9 Millionen Euro. Auch der Ausblick auf die kommenden Jahre bis 2026 sieht im Ergebnis zunächst keinen Haushaltsausgleich vor. Erst zum Haushaltsjahr 2026 sinkt das Defizit perspektivisch wieder auf 120 t€. Bis 2026 sind darüber hinaus jetzt schon weitere Schulden in Höhe von rund 6,7 Millionen Euro geplant. Durch die guten Abschlüsse der vergangenen Jahre braucht die Gemeinde Nauheim aber kein Haushaltssicherungskonzept. In der Haushaltssatzung sind keine Erhöhungen der Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer vorgesehen und diese werden aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren nicht notwendig werden.
Meine Damen* und Herren,
der Erlass von Haushaltssatzungen und die Feststellung des Investitionsprogramms liegt nach §51 HGO ausschließlich bei der Gemeindevertretung. Zwar wird der Haushaltsplan von der Verwaltung aufgestellt, vom Gemeindevorstand beraten und vom Kämmerer (in unserem Fall des Bürgermeisters) eingebracht. Der Beschluss liegt aber bei uns Gemeindevertreter*innen. Wir legen den Umfang der Budgets im Haushalt fest, wir bestimmen den Stellenplan und wir entscheiden über die Freigabe von Investitionsmitteln. Aus diesem Grund halten wir Grüne es auch nicht für angebracht, Haushaltsdefizite an einzelnen Personen, wie beispielsweise Bürgermeister*innen festzumachen. In der Nachbetrachtung sind solche Kommunikationen ja auch schlecht gealtert. In den Kommunalwahlbroschüren einer örtlichen Partei ist der „Rekordschuldenstand“ 2011 mit 19 Millionen Euro angegeben (Davon 10,9 Millionen Euro Schulden und 8.1 Millionen Euro Kassenkredite). 2026 kann, bei Umsetzung aller Investitionsmaßnahmen, der Schuldenstand auf knapp 26 Millionen anwachsen. Die Kassenkredite nicht eingerechnet.
Es hilft allerdings sich die Sache differenziert anzuschauen. Wir machen im Jahr 2023 keine Schulden mehr über den laufenden Ergebnishaushalt – das dort entstehende Ergebnis wird über die Rücklagen der Vorjahre ausgeglichen. Der Schuldenaufbau erfolgt maßgeblich über Investitionen in die Infrastruktur der Gemeinde Nauheim und damit unter dem Strich auch einer Erhöhung des Anlagenvermögens. Man kann auch sagen: die Gemeinde wächst im Wert. Die Investitionen, welche eingestellt werden sind über Fraktionsgrenzen hinweg (weitestgehend) unstrittig. Wir investieren 2,5 Millionen Euro in die Leichtathletikanlage der Gemeinde Nauheim – nach einer Gesamtnutzungszeit der alten Anlage von über 50 Jahren. Wir investieren in den Ausbau und die Erneuerung unserer Kindergärten und gemeindlichen Einrichtungen. Wir investieren in den Erhalt und den Ausbau unserer Abwasseraufbereitung. Wir investieren in die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde hinsichtlich Energieversorgung und Digitalisierung. Allesamt Investitionen, die nach ihrer Tätigung einen positiven Effekt auf das Zusammenleben in der Gemeinde Nauheim haben und die sogar monetär zukünftige Haushalte entlasten. Sei es durch Attraktivitätssteigerung, durch Einnahmesteigerung oder Ausgabenreduktion, wie insbesondere bei den Maßnahmen im Bereich erneuerbare Energien.
Es ist außerdem einen Dank wert, dass mittlerweile allen Fraktionen der Gemeindevertretung ein mehr an Klima- und Umweltschutz wichtig ist. Auch wenn damit natürlich Kosten verbunden sind. Ausgaben, die dazu dienen diese Gemeinde lebenswert zu erhalten sind in jedem Fall sinnvoll und zukunftsorientiert.
Und gerade, weil es in diesem Haushalt in besonderem Maße um die Zukunft geht, wundert es mich persönlich umso mehr, dass an den Haushaltsberatungen in den Ausschüssen lediglich zwei von fünf Bürgermeisterkandidat*innen teilgenommen haben und auch heute nur diese zwei Anwesend sind. Das Interesse bei den anderen dreien scheint hier nicht vorhanden zu sein. Für die Bürger*innen dieser Gemeinde sollte dies eine wichtige Nachricht sein. Gerade wenn zeitgleich vielleicht auch noch Wahlkampftermine wahrgenommen werden.
Auf die künftige Bürgermeisterin (oder den künftigen Bürgermeister) kommen wichtige Aufgaben in den kommenden Jahren zu. Bürgermeister Fischer ist ein besonderer Dank auszusprechen, was das Thema Verlässlichkeit und Planung angeht. Seit dem Haushaltsjahr 2014 gab es keinen Haushaltsabschluss mehr, der schlechter als in der Planung abgeschnitten hat. Und nur wegen diesem Faktum haben wir heute die Möglichkeit auch in der Planung für die kommenden vier Jahre zu sagen, wir werden keine Hebesätze anheben und wir werden auch für die Grundsteuerreform 2025 eine aufkommensneutrale Umsetzung anstreben. Diese Arbeit gilt es für die künftige Bürgermeisterin (oder den künftigen Bürgermeister) fortzusetzen. Ziel muss es darüber hinaus sein, durch eigene und neue Maßnahmen den Haushalt wieder in Richtung Ausgleich zu schieben.
Versprechungen von Kandidaten, dass der Hebesatz der Grundsteuer wieder gesenkt werden kann, sollten Sie mit Vorsicht genießen. Erhöhungen im Bereich Gewerbesteuer durch Bebauung des Gewerbepark Süd sind bereits einkalkuliert. Kostensteigerungen im Bereich der Personalkosten durch Tariferhöhungen aller Voraussicht nach aber geringer, als die Tarifergebnisse in vielen anderen Bereichen erwarten lassen.
Die Unwägbarkeit der Grundsteuerreform 2025 kann derzeit noch nicht seriös geplant werden, wie die Antwort auf unsere Anfrage zeigt. Und damit verbunden können wir noch nicht einmal jeder Bürgerin* und jedem Bürger versprechen, dass eine eventuelle Senkung des Hebesatzes 2025 auch zu einer Senkung der Steuerlast führt, wenn vielleicht der Einheitswert des eigenen Grundstücks auf einmal um das mehrfache ansteigt. Es könnte zur absurden Situation führen, dass eine von der Politik gefeierte Senkung des Hebesatzes auch zu einer vom Bürger erlittenen Mehrbelastung führt. Deswegen ist es wichtig, in Zukunft die Möglichkeiten der Gestaltung durch Bürgermeister*in und Verwaltung voll auszuschöpfen: Ertragssteigerung durch Mehreinnahmen im Bereich Einkommens- und Gewerbesteuern. Ausgabenreduktion durch Prozess- und Organisationsoptimierung und einem Blick auf die kleinen Details – auch mit Blick auf die Digitalisierung. Ausschöpfung von Fördermitteltöpfen, der Inanspruchnahme von EU-, Bundes- und Landes-Förderprogrammen. Der Gestaltung einer ökologischen und damit auch ökonomischeren Waldwirtschaft und einer Intensivierung der Interkommunalen Zusammenarbeit, die auch im Bereich des Fachkräftemangels in den kommenden Jahren noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Ein breites Feld, dessen kompletter Umfang sich hier gar nicht darstellen lässt – und noch einmal bei mir in höchstem Maße Unverständnis auslöst, dass Bewerber*innen um den Posten der Verwaltungschefin oder des Verwaltungschefs hier nicht anwesend sind!
Im sozialen Bereich haben wir vielfältige Aufgaben und eine große Verantwortung unseren Bürger*innen gegenüber. Ein soziales Miteinander und eine vielfältige Gesellschaft und Gemeinschaft muss allen Nauheimer*innen offenstehen. So ist es eine unserer großen Herausforderungen die Bereitstellung von ausreichenden Kita-Plätzen zu gewährleisten. Die notwendigen Investitionen haben und werden wir tätigen, jedoch stößt die Gemeinde bei der Gewinnung von Fachkräften auch hier an ihre Grenzen. Dafür bitte ich alle Eltern um Verzeihung, denn wir alle versuchen unser Bestes zu geben, kämpfen jedoch mit ähnlichen Problemen wie unsere Nachbarkommunen.
Die Krisen der heutigen Zeit stellen eine Belastung für die meisten Menschen dar, umso wichtiger ist es sich als Gemeinde gut aufzustellen und für umso notwendiger halte ich es die Gemeinschaft in unserem Ort zu stärken und auszubauen. Ein gemeinsames Miteinander werden wir zukünftig weiter fördern. Sinnvolles und nachhaltiges Wirtschaften, sowie effektive Maßnahmen sind hierbei ebenfalls Stichworte die ich nennen möchte.
Mit unseren Haushaltsanträgen versuchen wir im Rahmen von zweifelsfrei geringem Spielräumen, gerade in finanzieller Hinsicht, unsere Gemeinde nachhaltig zu prägen
und als Korrektiv der Verwaltung tätig zu sein. Im gemeinsamen, kollegialen und konstruktiven Austausch kann die Gemeindevertretung als ganzes eine Arbeit leisten, die den Ansprüchen der Gemeinde gerecht wird und zum Wohle aller Bürger*innen gestaltet. Ich würde mich in diesem Zusammenhang freuen, wenn statt Parteipolitik der Austausch und die Kompromissbereitschaft wieder ansteigen würden. Nauheimer Verhältnisse sind etwas, das in der Vergangenheit liegen sollte und wir stehen allen Gesprächen offen, fair und konstruktiv entgegen. Zum Wohle der Gemeinde!
Sehr geehrte Kolleg*innen, die Fraktion der Grünen wird dem Investitionsprogramm und dem Haushaltsentwurf ihre Zustimmung erteilen.
Vielen Dank.“